Viele Menschen glauben, ihre Profile und geteilten Information in sozialen Netzwerken seien harmlos und von geringer Relevanz. Erstmal hat es etwas Gutes. Man kann sich mit Freunden austauschen, Neuigkeiten erfahren zu Themen, die man mag und Neues entdecken. “Was sollen die denn mit meinen Daten?” “Ich habe nichts Schlimmes zu verbergen.” Doch dies ist nicht das eigentliche Problem. Der Dokumentarfilm “The Social Dilemma” von Jeff Orlowski auf Netflix beschäftigt sich mit der Schattenseite von sozialen Netzwerken und personalisierten Contentangeboten bei facebook, Google/Youtube oder Instagram in einer Mischform aus Interviews mit ehemaligen wichtigen Mitarbeitenden der großen Konzerne, Animationen und inszenierten Szenen.
“If you get a service for free, you can assume that you are the product”. Die sozialen Netzwerke verkaufen nicht hauptsächlich die Daten der Nutzer, wie viele annehmen. Stattdessen manipulieren sie ihre Nutzer mit den gewonnenen Daten, indem sie deren Verhalten analysieren und ihnen Content und Informationen anbieten, um sie möglichst lange auf ihrer Plattform zu halten. Dabei soll eine Abhängikeit entwickelt werden. Je mehr User viel Zeit auf der Plattform verbringen, desto wervoller wird sie für Investoren. Durch die Platzierung von Werbung lässt sich mit einer hohen Anzahl an regelmäßigen Usern sehr viel Profit erzielen.
Die Netzwerke versuchen daher die Aufmerksamkeit des Einzelnen um jeden Preis zu maximieren. Jedem soll möglichst nur das gezeigt werden, was ihn auch interessieren könnte. Anhand der Likes und Posts, die gut ankommen, wird eine Richtung für zukünftig vorgeschlagenen Content generiert. Dabei sieht jeder User eine ganz eigene personalisierte digitale Informationswelt. Zum Beispiel ein Paradies aus Katzenvideos. Eine Gefahr entsteht jedoch bei politischen Themen, Verschwörungstheorien und Fake News. Wenn man als Außenstehender von der Zustimmung zu solchen Themen hört, fragt man sich: “Wie kann denn so etwas entstehen?” “Wie kann jemand ernsthaft so etwas glauben?” “Ich habe gar nichts davon mitbekommen.”
Dem Algorithmus ist es ziemlich egal, was richtig, falsch, wahr oder unwahr ist, solange der Content den User weiter auf der Plattform hält. Wenn z.B. ein Hauch von Empfänglichkeit für Verschwörungstheorien oder ähnliches bei zufällig vorgeschlagenem Content bei dem User vom System bemerkt wird, wird dessen Neugier gnadenlos genutzt. Er wird weiter getäuscht, mit immer mehr empfohlenen Informationen zu dem Thema, verbunden mit anderen Usern, die auch darauf reagieren. Zugleich werden alle Informationen, die nicht mehr zu der Meinung passen ausgeblendet. So können zwei User komplett unterschiedliche gedankliche digitale Ideenwelten präsentiert bekommen. Diese Ideenwelten können von anfänglicher Neugier zur Realität des Users werden. Dies führt konkret dazu, dass Menschen an Flat Earth Theorien oder Pizzagate glauben oder dass sie Donald Trump in einem glaubwürdigen, positiven Licht sehen. Dass sie zu Leugnern von Klimawandel, Corona, Rassismus, Holocaust, zu Feinden der Demokratie werden. Im Worst-Case werden sie anschließend selbst zu Spreadern dieser Fake News und Verschwörungen.
Wenn sich nun eine Person entscheidet facebook, Youtube oder eine Mischform dieser Plattformen als alleinige Nachrichtenquelle zu verwenden ist dies fatal. Die Person läuft Gefahr unwissentlich einer endlos personalisierten Gehirnwäsche unterzogen zu werden. Die Informationen, die dort vorgesetzt werden, sind keineswegs frei und unabhängig, sondern vom Algorithmus gezielt ausgewählter Content. In einem Interview im Film wird ein Horrorszenairo beschrieben: Ein Wikipedia, das jedem Nutzer einen eigenen personalisierten Beitrag zu jedem Thema anzeigt mit Informationen, die sein Weltbild bestätigen. Um 2010 hat das rasante Wachstum der Social Networks und das Angebot an Digital Content begonnen. Nun im Jahr 2020 sind die gesellschaftlichen und politischen Folgen schon im vollen Gange. Das Traurige daran ist, dass es gar nicht die Intention der sozialen Netzwerke war Hass und Verwirrung zu stiften und hochentwickelte Gesellschaften zu entzweien. Es sollte ursprünglich nur Menschen verbinden und nebenbei maximaler Profit durch ihre Abhängigkeit erzielt werden.
Der Film liefert noch keine konkrete Lösung und ist eher ein Aufruf zum Dialog. Erst einmal informiert er über Ursachen und Auswirkungen und zeigt auf, dass bald etwas geschehen muss, um die Zustände zu verbessern. Zum Beispiel, dass die Konzerne zur Verantwortung gezogen werden und ihre Methoden ändern. Des Weiteren ist es wichtig, dass mehr Menschen informiert und aufgeklärt werden, wie Content in sozialen Netzwerken und auf Videoplattformen funktioniert und zu bewerten ist, so dass sie nicht versehentlich zu Opfern von politischer Manipulation werden und weiterer Schaden verhindert wird.